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Gemeinsame Mahlzeiten: Wertevermittlung am Esstisch

Stand:
Unsere innere Haltung zum Essen und zu Lebensmitteln bestimmt unser Handeln rund um Mahlzeiten und ist stark durch Werte geprägt. In der Kindertagesbetreuung gilt es, zwischen der privaten und der professionellen Haltung zu unterscheiden.
Ein Kleinkind betrachtet und befühlt ein Stück Wassermelone

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Reflexion der persönlichen Haltung zum Umgang mit Lebensmitteln und zu Ernährung ist die Grundlage für das pädagogische Handeln am Esstisch.
  • Eine einheitliche pädagogische Haltung des Teams gibt Kindern Sicherheit und Halt rund um die Mahlzeiten.
  • Gemeinsames Essen fördert Zusammenhalt, Sozialverhalten und Teilhabe.
  • Kinder lernen bei Mahlzeiten fürs Leben.
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Die eigene Haltung zur Ernährung verstehen

Jeder Mensch isst, und das schon sein Leben lang. Viele Prozesse laufen automatisiert ab, wir hinterfragen sie gar nicht mehr. Um sich einer gelebten Ernährungsbildung anzunähern, ist zunächst die Reflexion der eigenen Essbiografie und des eigenen Essverhaltens ratsam. Der Bundesverband für Kindertagespflege stellt einen Arbeitsbogen zur Selbstevaluation zum Essen und Trinken in der Kindetagesbetreuung zur Verfügung, der zur Reflexion des eigenen Verhaltens dient und hilft, die persönliche Haltung als Ausgangspunkt für professionelles Handeln zu definieren. 

Reflexionsfragen rund um die eigene Haltung können sein: 

  1. Wie sieht mein Alltag rund ums Essen aus? 
  2. Welche Speisen habe ich von meinen Eltern/meiner Familie übernommen, welche sind später auf meinen Speiseplan gekommen? 
  3. Wie habe ich als Kind Mahlzeiten zu Hause erlebt? Was hat für mich das Wohlfühlen ausgemacht? Gab es unangenehme Situationen oder Zwang beim Essen? Fühlte ich mich in manchen Situationen am Esstisch unwohl oder bevormundet? 
  4. Lege ich Wert auf Qualität und frische Zubereitung, oder muss es vor allem schnell gehen?
  5. Welche Lebensmittel esse ich besonders gern, was baut bei mir Stress ab, und was mag ich gar nicht?
  6. Welche Auswirkungen hat meine Essgeschichte auf die Gestaltung von Mahlzeiten, die Zusammenstellung des Speiseplans und meine Vorbildwirkung in der Einrichtung? 
  7. Wie sehe und empfinde ich meinen eigenen Körper? Wie beurteile ich andere Körperformen?
  8. Wie unterscheidet sich meine professionelle Haltung als pädagogische (hauswirtschaftliche) Fachkraft von meiner persönlichen Meinung?

Diese Fragen finden Sie auf Seite 10 der Esspedition Kita, ein Ordner des ehemaligen aid Infodienstes rund um die Ernährungsbildung. 

Die berufliche Einstellung von der privaten abgrenzen 

Foto: Pixabay

Nachdem man die eigene Essbiografie verstanden und die eigene Haltung zum Thema Lebensmittel und Essen reflektiert hat, entwickelt sich die pädagogische Grundhaltung. Diese kann sich von der persönlichen unterscheiden und muss von ihr abgegrenzt werden. Auch dabei hilft der Arbeitsbogen zur Selbstevaluation des Bundesverbands für Kindertagespflege. Darin werden Fragen beleuchtet wie: Welchen Stellenwert haben Mahlzeiten im Betreuungsalltag? Wie werden Kinder an die neue Mahlzeitensituation in einer Gruppe herangeführt? Wie wird Ernährungsbildung gelebt und wie können sich Kinder beteiligen? 

Miteinander essen: Kompetenzen stärken und Werte vermitteln 

Gemeinsame Essenszeiten sind alltägliche Schlüsselsituationen in der Kindertagesbetreuung, die mehrmals täglich stattfinden. Zur Kinderbetreuung gehört, dass man ein (zweites) Frühstück einnimmt, gemeinsam zu Mittag isst und gegebenenfalls auch am Nachmittag noch zusammen snackt. In der Regel ergeben sich hieraus in einer Betreuungswoche ungefähr 15 Ess-Situationen, in deren Rahmen Kindern Werte vermittelt und Kompetenzen gefestigt werden.  

Der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan (BEP) hat als Ziel, grundlegende Schlüsselkompetenzen der Kinder zu stärken. An folgenden Beispielen wird deutlich, dass dies auch am Esstisch geschieht:

Individuumsbezogene Kompetenzen

Kinder sollen ein positives Selbstbild entwickeln und Selbstwirksamkeit bzw. Autonomie erfahren. Sie entwickeln ein Körperbewusstsein, lernen Bedürfnisse zu regulieren und die Verantwortung für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu übernehmen.

  • Wie merke ich, dass ich satt bin? 
  • Ich darf selbst entscheiden, was ich von den angebotenen Speisen essen möchte und was nicht.
Kompetenzen zum Handeln im sozialen Kontext

Kinder lernen, Regeln in sozialen Kontexten einzuhalten und solidarisch zu handeln. Wichtig ist dabei auch, gute Kommunikationsfähigkeiten zu erwerben.

  • Wie sprechen wir miteinander, zum Beispiel, wenn wir etwas möchten? 
  • Ich teile mein Essen mit anderen Personen.
Lernen und lernmethodische Kompetenzen

Neben dem Erwerb von Wissen und Kompetenzen geht es vor allem auch darum, dass Kinder lernen, ihr Wissen anzuwenden und zu übertragen. Sie müssen verschiedene Lernwege ausprobieren, eigene Fehler entdecken und selbständig korrigieren. Die eigenen Leistungen zutreffend einschätzen, ist dabei ein wichtiger Schritt. 

  • Wie kann ich das Gericht essen? Mit den Fingern? Wie einen Löffel, eine Gabel halten? 
  • Wie schneide ich ein Würstchen oder eine Gurke durch? 
  • Eine Banane und ein Würstchen haben eine ähnliche Form. Also kann ich die Banane vielleicht genau so zerteilen, wie das Würstchen. 
  • Vor den Mahlzeiten werden die Hände gewaschen. Kinder lernen direkt erste Hygieneregeln und nehmen diese als Gewohnheit auf.  
Kompetenter Umgang mit Veränderung und Belastung: Widerstandsfähigkeit (Resilienz)

Das Kind erwirbt die Fähigkeit, schwierige Situationen nicht nur als Belastung, sondern auch als Herausforderung zu begreifen. 

  • Ich muss in einer Gruppe auch mal warten, bis ich mit der Kartoffelschüssel dran bin. 
  • Vielleicht gelingt es mir noch nicht, das Essen selbst aufzutun. 
  • Neue, mir noch unbekannte Lebensmittel mag ich noch nicht essen, und das ist in Ordnung.

Kindertageseltern und pädagogische Fachkräfte sollten sich ganz konkret mit den zu vermittelnden Werten im Rahmen der Ernährungsbildung auseinandersetzen und sich im Team abstimmen. So werden alle Beteiligten mitgenommen. Kinder erfahren ein einheitliches Vorgehen und erhalten Sicherheit. Um die Haltung nach außen zu tragen, sollte diese im Verpflegungskonzept verankert werden. 

Wie Sie ein passgenaues Verpflegungskonzept für sich oder Ihre Einrichtung aufbauen, können Sie im Artikel Qualitätssicherung und Übersicht: Das Verpflegungskonzept lesen.

Es ist wichtig, den Kindern das Vertrauen zu schenken, dass diese für sich selbst entscheiden können, was ihnen guttut. Den Rahmen hierfür stecken die Erwachsenen mit ausgewogenen Essensangeboten. Geduld ist unbedingt gefragt, denn Kinder bringen ihre eigene Essbiografie mit an den Tisch und müssen sich eventuell in neu gegebene Situationen einleben. Ein wohlwollender und geduldiger Umgang mit Essenssituationen lässt Raum zur Entwicklung und zum Ausprobieren.

Partizipation fördert Selbstwirksamkeit

Selbermachen ist das Stichwort. Kleinkinder werden am Esstisch zum Ausprobieren angeregt. Wenn nötig, geben Betreuerinnen und Betreuer den Kindern Anleitung und Hilfestellung. Auf das Füttern kann verzichtet werden, sobald es einem Kind gelingt, den Löffel zu halten und es selbst essen möchte. Bestärkende Worte, wenn es klappt, ganz alleine zu essen oder Herausforderungen zu meistern (etwa einen Joghurtbecher zu öffnen oder ein Brot zu schmieren) fördern ebenso das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeit.

Wenn Kinder sich selbst Speisen nehmen dürfen, können sie selbstbestimmt aussuchen, was sie von den Angeboten essen mögen und wie viel. Mit der Zeit lernen sie auch, Portionsgrößen richtig einzuschätzen. Ist es nicht möglich, dass Kinder sich selbst bedienen, werden sie aktiv gefragt, welche Komponenten sie gerne auf ihrem Teller haben möchten. 

Das Probieren ist ein vieldiskutiertes, heikles Thema. Begleitpersonen wünschen sich häufig, dass durch Schmecken probiert wird. Kinder sollen jedoch selber bestimmen können, ob sie etwas auch durch Schmecken probieren möchten oder ob sie sich schon durch den Geruch oder das Aussehen der Speisen entschieden haben. 
 

Idee GlühlampeTipp: Bieten Sie Anreize und lassen Sie die Kinder selber entscheiden: Ein bunter Probierlöffel ist attraktiv und regt zum Ausprobieren an. Ein separater Probierteller ist eine willkommene Alternative, um Lebensmittel langsam kennenzulernen. Die Kinder können einzelne Komponenten, die für sie noch nicht bekannt und sicher sind, auf einen kleinen Extra-Teller nehmen und dann selbst entscheiden, ob sie probieren möchten oder ob sie noch nicht bereit sind. Fördern Sie das Kennenlernen von Speisen und Lebensmittel durch einen wertfreien Umgang damit.

Die Broschüre Demokratie und Partizipation von Anfang an des Bundesverbandes für Kindertagespflege bietet Informationen und Ideen für die Integration partizipativer Verfahren im Alltag. 
In kurzen Filmen widmet sich Der Paritätische dem Thema Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung mit Hintergrundinformationen, praktischen Umsetzungsideen und einem E-Learning-Kurs

Gemeinschaft und Esskultur

Äthiopisches Essen, mit Fladenbrot mit der Hand aufgenommen
Foto: CabecaDeMarmore/iStock

Mahlzeiten haben immer auch eine gemeinschaftsstiftende Wirkung. Die Gespräche am Tisch stärken den Zusammenhalt, das Sozialverhalten und die Teilhabe und fördern nebenbei die Sprachentwicklung. Sprechen Sie mit den Kindern über das Essen, die Lebensmittel und deren Herkunft. Laden Sie sie ein, ihre Sinne zu nutzen und verschiedene Farben, Formen, Geschmäcker, Texturen und Temperaturen wahrzunehmen. Solche Gespräche steigern die Wertschätzung für das Essen und vermitteln zusätzlich Ernährungswissen. Möglicherweise gibt es bei einem Kind zuhause auch ganz andere Speisen als in der Betreuung oder es werden andere Ess-Bestecke genutzt. Wird dies am Tisch thematisiert, lernen Kinder viel über verschiedene Esskulturen. 

Exkurs: Mit Essen spielt man nicht?!

     Foto: Freepik

Kindern Wertschätzung für Lebensmittel nahezubringen, ist wichtiger Bestandteil der Ernährungsbildung. Dazu gehört auch, dass wir Lebensmittel nicht verschwenden und nicht zum Spielen verwenden. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig, Kindern Erfahrungen mit allen Sinnen, auch mit den Händen, zu erlauben, damit sie Lebensmittel intensiv kennenlernen und erfahren. Wo aber ist die Grenze zwischen Sinneseindrücke erleben und spielen?

Ein guter Leitgedanke ist folgender: Alles, was dem Kennenlernen der Lebensmittel dient, ist in Ordnung. Eine Kartoffel darf also auch mal mit den Händen zerdrückt werden, ein Reiskorn ganz genau angeschaut werden oder ein Knäckebrot mit den Händen zerbröselt werden. 

Grundsätzlich sollte aber das spielerische Kennenlernen am Tisch auch Grenzen haben. Wenn die Situation zu stark ins Spielen übergeht, kann man sie beenden und das Interesse der Kinder in Spiele mit anderen Materialien umleiten. Ein Beispiel hierfür ist es, wenn Kinder Fertigkeiten erlernen, wie etwa das Schöpfen. Sie wollen nun immer mehr Suppe oder Soße schöpfen, da sie gerade lernen, die Drehbewegung mit der Hand auszuführen und Stoffe mit der Kelle zu befördern. Diese Übung kann man mit Wasser, Perlen oder ähnlichen Materialien im Spiel fördern. Beobachten Sie die Kinder genau, seien Sie aufmerksam, wo Lernmomente entstehen und werden Sie kreativ in der Umsetzung. 
 

Weiterführende Informationen

Zur Mahlzeit gehört so viel mehr als das Essen 

Durch das Zusammenwirken verschiedener Sinne bringen Bildungsanlässe rund um das Thema Essen und Trinken komplexe Lernerfahrungen mit sich. Eine Mahlzeit ist daher als integrativer Teil der pädagogischen Praxis zu verstehen. Schon sehr früh, nämlich, wenn Kinder selber laufen, können sie beim Decken oder Abräumen des Tisches eingebunden werden. Auch dies bietet eine große Bandbreite an Lernerfahrungen: Die Motorik, die Selbstständigkeit, das Zählen und das Sozialverhalten werden gefördert.

Die Vorbereitungen für die Speisen, wie Planung, Einkauf oder Ernte und die Zubereitung, aber auch die Gestaltung der Mahlzeiten selber bieten vielfältigen Raum für Alltagslernen.

Praxistipps für eine gelungene Mahlzeit

  • Bieten Sie Struktur: Essenszeiten, Tischsitten und Rituale bei den Mahlzeiten geben Sicherheit und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Ein Tischspruch zu Beginn der Mahlzeit läutet die Essenszeit ein und lässt alle zur Ruhe kommen. Anregungen für Tischsprüche bieten Bücher und eine Sammlung der Vernetzungsstelle Kitaverpflegung Niedersachsen.
  • Sorgen Sie für eine ruhige Atmosphäre beim Essen und planen Sie ausreichend Zeit für die Mahlzeiten ein. Streitthemen oder Konflikte gehören nicht an den Esstisch. Außerdem sollte es keine Ablenkung, etwa durch Spielzeug, geben. So können sich alle auf das Essen konzentrieren. 
  • Essen macht Spaß: Kinder sollen Essen mit angenehmen Gefühlen assoziieren und in entspannter Umgebung essen lernen. Bringen Sie Essen nicht mit Druck, Zwang, Trost, Belohnung oder Bestrafung in Verbindung.
  • Essen Sie nach Möglichkeit mit. Kinder lernen viel durch Nachahmung und können so „nebenbei“ Tischsitten und einen wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln erlernen. Außerdem können Kinder beobachten, wie Sie was essen: Den Löffel für die Suppe, das Messer zum Schneiden.
  • Führen Sie mit den Kindern Tischgespräche. Sprechen Sie an, was Sie bei den Kindern wahrnehmen. Erklären Sie, was es zu essen gibt. Fragen Sie nach, ob die Kinder dies von zuhause auch kennen. 
  • Animieren Sie Kinder zum Selbermachen, geben Sie - wenn nötig - Hilfestellung und bestärken Sie sie, wenn sie Probleme bewerkstelligt haben. 
  • Bieten Sie Kindern neue Lebensmittel zwanglos an. Wer nicht probieren möchte, muss dies auch nicht tun. 
Ein gedeckter Tisch in einer Kindertagesstätte

Gut verpflegt: Vernetzungsstelle Kitaverpflegung Hessen

Die Mahlzeitengestaltung ist in der Kindertagesbetreuung eine große Herausforderung. Die Vernetzungsstelle bietet Kindertagespflegepersonen und Kindertagesstätten Unterstützung für eine ausgewogene, kindgerechte, genussvolle und nachhaltigere Verpflegungsstrategie mit ergänzender Ernährungsbildung. Wir beraten, informieren und vernetzen.
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