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Stellungnahme zum Referentenentwurf Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG)

Sachverhalt

Durch die neue EU-Verbandsklage könnten Verbraucher bei Massenschäden ohne eigene Klage Entschädigungen erhalten. Die hier relevante EU-Richtlinie lässt den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht allerdings viel Spielraum. Die Bundesregierung muss nun dafür sorgen, dass Verbraucher in Massenschadensfällen künftig leichter zu ihrem Geld kommen.

Der vzbv hat Anfang Februar 2021 ein Gutachten veröffentlicht, das aufzeigt, wie sowohl Verbraucherinteressen in den Mittelpunkt gestellt, Gerichte entlastet und die Rechte beklagter Unternehmen berücksichtigt werden können.

Wichtig bei dem Konzept ist, dass auch die kürzlich in Deutschland im Zuge des Diesel-Abgasskandals eingeführte Musterfeststellungsklage erhalten bleibt, aber reformiert wird. Nicht in allen Massenschadensfällen werden Leistungsklagen mit direkten Schadensersatzzahlungen möglich sein. Kommt es rechtlich doch auf den Einzelfall an, wird man auf die Musterfeststellungsklage nicht verzichten können.


Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz – VRUG)

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz 

Bearbeitungsstand des Entwurfs: 16.09.2022

Stellungnahme der Verbraucherzentrale Hessen 

I. Vorbemerkung

Die Verbraucherzentrale Hessen ist ein anbieterunabhängiger, parteipolitisch neutraler und gemeinnützig eingetragener Verein und bietet unabhängige und werbefreie Beratung für Verbraucher in allen Lebenslagen – von A wie Altersvorsorge bis Z wie Zahnzusatzversicherung. Sie ist die Interessenvertretung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Hessen. Ihre Kompetenz basiert auf der Erfahrung von jährlich ca. 100.000 Kontakten mit Verbrauchern in Hessen. 

Die Verbraucherzentrale Hessen ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) beim Bundesamt der Justiz eingetragen und verfügt über langjährige Erfahrungen bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung kollektiver Verbraucherrechte. Unter dem Aktenzenzeichen I-2 MK 1/22führt sie eine Musterfeststellungsklage vor dem OLG Hamm. 

Die Verbraucherzentrale Hessen ist unter der Registernummer R001069 in das Lobbyregister des deutschen Bundestags eingetragen.

Die Verbraucherzentrale Hessen begrüßt, dass das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG mit einer Anhörung der Verbände begonnen wird. Inhaltlich ist der Entwurf dringend überarbeitungsbedürftig. 

Insbesondere die Regelungen zur Anmeldung von Ansprüchen in das Klageregister nach § 46 des Entwurfs des Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetzes (VDuG-E) müssen angepasst werden. Die Verpflichtung für die Verbraucherinnen und Verbraucher, ihre Ansprüche früh, bis zum Tag vor der ersten mündlichen Verhandlung, zum Klageregister anzumelden, bevorteilt Schädigerunternehmen und wird zu einer unnötigen, weil eigentlich vermeidbaren, Belastung der Gerichte führen

Im Weiteren sollte 

  • auf das Verbraucherquorum in § 4 VDuG-E verzichtet werden, 
  • die Verjährungshemmung in Art 7 Nr. 2 VRUG-E, § 204a BGB-E an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden,
  • von der Übertragung der gerichtlichen Zuständigkeit von Verfahren nach dem UKlaG an das Oberlandesgericht nach Art 9 Nr.16 VRUG-E, § 6 U-KlaG-E Abstand genommen werden,
  • das Kostenrisiko der Verbandsklage für gemeinnützige Organisationen in einem bezahlbaren Rahmen gehalten werden, indem der Streitwert über Art. 27 Nr. 5 VRUG-E, § 48 GKG-E auch für Abhilfeklagen auf maximal 250.000 € begrenzt wird.

Im Einzelnen

II. Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz

1. Verbraucherquorum - § 4 VDuG-E
Die Regelung § 4 Abs. 1 VDuG-E sieht vor, dass die klageberechtigte Stelle mindestens 50 betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher glaubhaft machen muss. Diese Zahl ist zu hoch. Für die Musterfeststellungsklage reicht derzeit nach § 606 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die Glaubhaftmachung von 10 betroffenen Personen aus. 

In der Praxis müssen klageberechtigte Stellen tatsächlich mehr Fälle darlegen. Die Schädigerseite hat in Verfahren über Musterfeststellungklagen versucht, Verbraucherinnen und Verbraucher „rauszukaufen“, um so die Zulässigkeit der Klage anzugreifen. Mit dieser Taktik der Schädiger müssen klageberechtigte Stellen auch in Zukunft rechnen. Um dieser Taktik zu begegnen, sind sie gezwungen, deutlich mehr Fälle darzulegen als das Verbraucherquorum gebietet. Der Aufwand der Klageerhebung und der Aufwand der Prüfung durch die Gerichte wird so unverhältnismäßig hoch. Die Vorbereitung einer Musterfeststellungsklage und die Information und Begleitung der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher während der Dauer des Klageverfahrens führt bereits jetzt zu einem hohen Arbeitsaufwand. Gemeinnützige klageberechtigte Stellen wie die Verbraucherzentrale Hessen werden dieses Instrument deswegen nur dann nutzen, wenn das Verfahren wegen der hohen Zahl der Betroffenen im Interesse des Gemeinwohls liegt. Das Gleiche gilt auch künftig für die Abhilfeklage. 

Die Musterfeststellungsklage bietet sich zudem als Instrument zur Vorabentscheidung wegweisender Grundsatzfälle an. Dies ist denkbar, wenn die Zahl der Betroffenen noch gering ist, aber voraussichtlich in der Zukunft steigen wird. Hier könnten strittige Rechtsfragen präventiv über die Musterfeststellungklage geklärt werden. Die Justiz würde dadurch für die Zukunft entlastet. Auch in solchen Fällen hemmt ein Verbraucherquorum die Möglichkeit der präventiven Rechtsfortbildung über die Musterfeststellungsklage.

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert deswegen, 
das Verbraucherquorum insgesamt zu streichen. 

Erfolgt die generelle Streichung nicht, so sollte die Zahl der darzulegenden Fälle für die Feststellungsklage wie auch für die Abhilfeklage auf wie bisher 10 reduziert werden. 

2. Anmeldung von Ansprüchen in das Klageregister nach § 46 VDuG-E

a) Frühes Opt-in – § 46 Abs. 1 VDuG-E

Nach § 46 Abs. 1 VDuG-E können Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche nur bis zum Ablauf des Tages vor dem ersten Termin in das Verbandsklageregister anmelden. Dieses frühe Opt-in schneidet Verbraucherinnen und Verbraucher früh von der Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Rechte über die Verbandsklage ab. Dies zu einem Zeitpunkt, zu dem der Ersatzanspruch vielfach nicht verjährt sein dürfte. Als Folge werden die Betroffenen mit dem vollen Kostenrisiko auf die Möglichkeit der Individualklage verwiesen. Dies schafft den Schädigerunternehmen einen Vorteil, weil viele Menschen wegen der Kosten und des Aufwands der Individualklage auf die Durchsetzung ihrer Rechte verzichten werden. Zudem wird die Justiz mit Einzelverfahren belastet, die eigentlich über die Verbandsklage gebündelt werden könnten. 

Je kürzer der Zeitrahmen für die Anmeldung, desto weniger Betroffene werden sich eintragen. Besonders nach einem positiven Abhilfegrundurteil nach § 16 VDuG-E werden Personen, die noch nicht im Register eingetragen sind, überlegen, wie sie ihren Schaden doch noch geltend machen können. Diese sind inzwischen von der Verbandsklage ausgeschlossen. Sie werden mit dem Rückenwind des Grundurteils eigene Wege gehen und sich mit vielen zusätzlichen Verfahren an die Gerichte wenden. Unterstützt werden diese von kommerziellen Inkassodienstleistern, die die Forderungen der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher aufkaufen und diese in gesonderten Einzelklagen geltend machen werden.

Als Argument für die Regelung des frühen Opt-in wird der Bundesminister der Justiz mit der Äußerung in der Presse zitiert:

„Beklagte sollten weiterhin wissen, wann ein Prozess beginnt und wie hoch die Summer der Ansprüche ist, über die verhandelt wird.“ Der Minister verteidigte außerdem die Verjährungsregelung, die den Grünen ebenfalls zu eng ist. Es müsse zeitliche Grenzen geben, so der Minister. „Das gebietet das Prinzip der Gerechtigkeit.“[1]

Dieses Argument trägt nicht. Die Schädigerunternehmen müssen die mögliche Schadensumme nach § 249 HGB, §§ 5, 6 EStG als ungewisse Verbindlichkeit als Rückstellung in ihre Bilanz aufnehmen. Unternehmen, die seriös bilanzieren, wissen wie hoch die möglichen Ansprüche sind, über die verhandelt wird. Auch aus diesem Grund ist die frühe Anmeldung in das Klageregister unnötig. 

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert, 
die Anmeldung zum Register bis nach Erlass des Abhilfeendurteils nach    § 18 VDuG-E zuzulassen. 
Mindestens aber sollte die Frist der Anmeldung auf einen angemessenen Zeitpunkt nach dem Erlass des Abhilfegrundurteils nach § 16 VDuG-E verschoben werden.
 
b) Anmeldung unter Angabe der Schadenshöhe

Auf die Regelung des § 46 Abs. 2 letzter Satz VDuG-E, nach dem die Betroffenen bei der Anmeldung auch Angaben zur Höhe des Schadens machen sollen, sollte verzichtet werden. 

Geht es wie z.B. in den VW-Diesel-Fällen um hochwertige Motoren, so ist die Höhe des Schadens ohne Hilfe eines Sachverständigen kaum zu schätzen. Aber selbst in vermeintlich einfacheren Verfahren, wie in dem Verfahren der Verbraucherzentrale Hessen gegen die Stromio GmbH wegen der unzulässigen Kündigung von Energielieferungsverträgen, können die Betroffenen ihren Schaden zum Zeitpunkt der Klageerhebung allenfalls grob überschlagen. Der Schaden errechnet sich hier aus der Differenz der Kosten des alten Vertrags und der Kosten aus der Ersatz- und der Grundversorgung, über die Betroffene weiterversorgt wurden. Der von der Schädigerseite gekündigte Energielieferungsvertrag wäre zum Zeitpunkt der Klageerhebung in vielen Fällen noch über Monate weitergelaufen. 

Den betroffenen Verbrauchrinnen und Verbrauchern sollte es im Interesse der Vermeidung von Einzelklagen leicht gemacht werden, sich an der Verbandsklage zu beteiligen. Der Grundsatz der Angabe der Schadenhöhe erschwert die Anmeldung.

III. Änderung des BGB - Verjährungshemmung - Art. 7 VRUG-E 

Die Verjährungshemmung der Verbandsklage soll über den neuen § 204a Abs. 3 und 4 BGB-E nur den Betroffenen zugutekommen, die ihren Anspruch zum Verbandsklageregister anmelden. Diese Regelung sollte überdacht werden. Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen steht sie nicht im Einklang mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen. Dieser verpflichtet die Mitgliedsstaaten, sicherzustellen, dass 

"eine anhängige Verbandsklage auf Abhilfeentscheidungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 für die von der Verbandsklage betroffenen Verbraucher eine Hemmung oder Unterbrechung der geltenden Verjährungsfristen bewirkt." (Hervorhebung durch VZ Hessen)

Betroffen sind Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn sie selbst geschädigt sind. Die Eintragung in das Register ist dafür keine Voraussetzung. Die Formulierung „von der Verbandsklage betroffenen Verbraucher“ heißt nicht, dass diese an dem Klageverfahren beteiligt sein müssen. Betroffen sind die Verbraucherinnen und Verbraucher durch den Schaden, den sie erlitten haben.

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert,
im Entwurf des § 204a Abs. 3 und 4 BGB-E den jeweils letzten Nebensatz „wenn die Verbraucher ihren Anspruch zum Verbandsklageregister anmelden“ zu streichen. 

Um eine Verjährung zugunsten aller betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher zu erreichen, müssen die klageberechtigten Stellen so den Weg wählen, vor einer Musterfeststellungs- oder Abhilfeklage eine Klage nach UKlaG zu erheben. Dies würde die Verjährung für alle Betroffenen nach § 204a Abs. 1 Nr. 2 BGB-E hemmen. Dieser Umweg kann bereits wegen der angestrebten Entlastung der Gerichte nicht gewollt sein.

IV. Änderung des UKlaG - Art. 9 Nr. 16 VRUG-E

Durch eine Änderung des § 6 Abs. 1 UKlaG-E soll die Zuständigkeit als Eingangsinstanz für Klagen nach dem UKlaG auf das Oberlandesgericht übertragen werden. Diese Regelung lehnt die Verbraucherzentrale Hessen ab. Es ist zu befürchten, dass sich die Verfahrensdauer wesentlich verlängern wird. Die Oberlandesgerichte sind nicht auf eine Fülle neuer Verfahren vorbereitet. 

Im Anwendungsbereich des UKlaG führt die Verbraucherzentrale Hessen hauptsächlich kleinere Verfahren, die den Markt von aktuellen Missständen bereinigen sollen. Diese sind bei den Spezialkammern der Landgerichte richtig angesiedelt. In der Praxis werden die Verfahren in angemessener Zeit erledigt. Die Parteien sind an einer praktischen und besonders einer zeitnahen Lösung interessiert. Bei einer Verlagerung auf das Oberlandesgericht als Eingangsinstanz besteht die Gefahr, diesen Vorteil zu verlieren. 

Die Regelung würde auch dazu führen, dass die überwiegende Zahl der Verfahren auf eine Instanz begrenzt würde. Die Streitwerte sind in den überwiegenden Fällen für die Revision gegen OLG-Entscheidungen zu gering. 

Die Verbraucherzentrale Hessen weist darauf hin, dass durch die im Entwurf vorgeschlagene Reglung die Eingangsinstanz für Klagen nach dem UWG und UKlaG auseinanderfallen würde. In der Praxis werden Unterlassensbegehren oftmals auf beide Gesetze gestützt. Auch dies spricht dafür, die Eingangsinstanz einheitlich beim Landgericht zu belassen. 

V. Begrenzung des Kostenrisikos für die klageberechtigten Stellen

1. Begrenzung des Streitwerts

Nach dem Entwurf des neuen § 48 GKG-E darf der Streitwert des Verfahrens einer Musterfeststellungsklage wie bisher 250.000 € nicht überschreiten. Bei der Abhilfeklage wird der Wert auf 500.000 € begrenzt. Aus diesen Streitwerten berechnen sich die Gerichts- und die Anwaltsgebühren.

Die Verbraucherzentrale Hessen begrüßt die grundsätzliche Begrenzung des Streitwerts. Die im Gesetzentwurf genannten maximalen Streitwerte sind jedoch zu hoch. Sie können gemeinnützige qualifizierte Einrichtungen davon abhalten, Klagen im Interesse der Allgemeinheit zu erheben.

Bei einem Streitwert von 250.000 € beträgt das Kostenrisiko einer Musterfeststellungsklage vor dem zuständigen Oberlandesgericht 24.089,46 €. Allein als Gerichtskostenvorschuss sind 9.268,00 € einzuzahlen. 

Klagt die gemeinnützige Verbraucherzentrale künftig auf Abhilfe, kann der Streitwert bis 500.000 € betragen. Das ist ein Wert, der oftmals bei vielen tausend Geschädigten schnell erreicht wird. Hier beträgt das Kostenrisiko für die klagende Verbraucherzentrale 36.708,66 €. Als Gerichtskostenvorschuss sind 15.604,00 € zu zahlen. Das sind Beträge, die in einem engen, öffentlich finanzierten Haushalt nicht einfach freigehalten werden können.

Es ist nicht ersichtlich, warum für die Klage auf Abhilfe ein höherer Streitwert angesetzt werden soll. Der Aufwand des Gerichts rechtfertigt dies nicht. Die eigentliche Abhilfe mit der Bezifferung und der Auszahlung des Schadens erfolgt nicht vor dem Gericht, sondern im Umsetzungsverfahren nach §§ 22 ff VDuG-E vor dem Sachwalter. Dieses soll nach § 59a GKG-E mit einer gesonderten Gebühr versehen werden.

Für eine weitere Begrenzung des Streitwerts sprechen auch die Erwägungsgründe der Richtlinie 2009/22/EG. In Erwägungsgrund 70 heißt es:

(70) Angesichts der Tatsache, dass bei Verbandsklagen durch den Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher ein öffentliches Interesse verfolgt wird, sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen beibehalten oder erlassen mit dem Ziel, sicherzustellen, dass qualifizierte Einrichtungen nicht durch die damit einhergehenden Verfahrenskosten daran gehindert werden, Verbandsklagen nach dieser Richtlinie zu erheben. Zu diesen Maßnahmen könnte gehören, dass die anwendbaren Gerichts oder Verwaltungsgebühren begrenzt werden, qualifizierten Einrichtungen erforderlichenfalls Zugang zu Prozesskostenhilfe gewährt wird oder den qualifizierten Einrichtungen öffentliche Mittel zur Erhebung von Verbandsklagen zur Verfügung gestellt werden, darunter strukturelle Unterstützung oder sonstige Unterstützungsmaßnahmen.

Die Richtlinie stellt damit klar, dass die Verbandsklagen im öffentlichen Interesse erfolgen. Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass qualifizierte Einrichtungen nicht durch Verfahrenskosten gehindert werden, Verbandsklagen zu erheben. Der Streitwert von bis zu 500.000 € wird Verbraucherzentralen hindern, dies zu tun.

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert deswegen, 
die Streitwertbegrenzung insgesamt deutlich zu reduzieren und auch bei der Abhilfeklage auf maximal 250.000 € zu begrenzen. 

2. Volle Kostenlast des Schädigerunternehmens möglich

Die Streitgrenze der Verbandsklage dient der Umsetzung des Gedankens aus Erwägungsgrund 70 der Richtlinie 2009/22/EG, nach dem die qualifizierten Einrichtungen nicht durch Verfahrenskosten gehindert werden sollen, Verbandsklagen zu erheben.

Es gibt keinen Grund dafür, dass auch die Schädigerunternehmen von dieser dem öffentlichen Interesse dienenden Begrenzung des Streitwerts profitieren. Auch bei der Verbandsklage besteht grundsätzlich das Interesse der öffentlichen Haushalte, die Parteien über Gebühren an den Kosten zu beteiligen. Das gleiche gilt auch für die Anwaltschaft. Auch wenn sich deren gesetzliche Gebühren nach dem Streitwert bemessen, muss wirtschaftliches Arbeiten möglich sein.

Die qualifizierte Einrichtung klagt im öffentlichen Interesse. Aus diesem Grund soll ihr der Zugang zum Recht erleichtert werden. Gleichzeitig dient die Verbandsklage mit der Bündelung der Einzelklagen der Entlastung der Justiz. Es ist deswegen richtig, die in der Regel gemeinnützigen qualifizierten Einrichtungen über die Begrenzung des Streitwerts vor einem übergroßen Kostenrisiko zu schützen. Von diesem Schutz muss aber nicht das Schädigerunternehmen profitieren. Es ist gerechtfertigt, diesem – wenn es verliert – die volle Kostenlast ohne Begrenzung des Streitwerts aufzuerlegen.

Die Verbraucherzentrale Hessen regt deswegen an, 
eine Regelung zu schaffen, nach der die Streitwertbegrenzung im Falle des Obsiegens qualifizierten Einrichtung aufgehoben wird.

Eine vergleichbare Regelung findet sich bereits in § 12 Abs. 3 UWG. Nach diesem kann der Streitwert im Einzelfall reduziert werden, wenn die Prozesskosten die wirtschaftliche Lage einer Partei gefährden würde. Obsiegt die begünstigte Partei, muss der Gegner die Kosten gleichwohl aus dem vollen Streitwert zahlen.

Stand: 23.2.2023 


[1]  Zitat aus FAZ vom 17.02.2023 – im Internet: https://zeitung.faz.net/faz/wirtschaft/2023-02-17/cc3d108260f19301dc2d912b4801dea0/?GEPC=s5 (aufgerufen am 22.02.2023

Erstattungen von Flugtickets – systematischen Rechtsbruch unterbinden

Sachverhalt

Die Flugreise war bereits gebucht. Dann kam Corona und der Flug fand nicht statt. Immerhin erhält man den Ticketpreis zurück, dachten sich die Reisenden. Doch die Fluggesellschaften stellen sich seit geraumer Zeit quer und nutzen die Ausnahmesituation aus, um ihre Verpflichtungen gegenüber den Kunden zu umgehen. Oft ist noch nicht einmal eine Kontaktaufnahme möglich. Rückzahlung bieten Airlines entweder gar nicht oder nur sehr versteckt als eine von vielen Möglichkeiten an, wie etwa Umbuchung oder Gutschein. Kunden, die auf ihren Zahlungsanspruch bestehen, brauchen einen langen Atem.

Nach EU-Fluggastrechte-Verordnung müssen vorausbezahlte Kundengelder innerhalb von sieben Tagen nach Stornierung durch die Airline zurückgezahlt werden. Das ist geltendes Recht, also eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Es kann nicht sein, dass Fluggesellschaften Kunden zu illegalen Zwangsdarlehen zwingen.

Kaum waren die Corona-Beschränkungen in 2022 gelockert und die Reiselust der Deutschen gestiegen, stapelten sich an deutschen Flughäfen plötzlich unzählige Koffer und Reisetaschen und wiederum wurden reihenweise Flüge annulliert. An der Erstattungspraxis hat sich bis heute wenig geändert. Obwohl sie das Geld inmitten einer Pandemie gut hätten gebrauchen können, erhielten viele von Stornierungen betroffene Verbraucher ihre Zahlungen – wenn überhaupt – erst Monate später zurück. 

Unsere Forderung

Gerade in Krisenzeiten hat sich gezeigt, dass insbesondere die Luftfahrtbranche verbraucherfreundlicher werden muss. Die Erstattungspraxis vieler Unternehmen ist ein Skandal. Sie brechen geltendes Recht und zahlen Gelder für stornierte Reisen und Flüge wochen- und monatelang nicht zurück. Die Verbraucherzentralen gehen deshalb juristisch gegen solche Unternehmen vor. Darüber hinaus fordern wir eine gesetzliche Pflicht zu automatischen Entschädigungen. Bislang entschädigen die Airlines trotz aller Versprechungen weder zeitnah noch online-basiert. Das ist alles andere als verbraucherfreundlich.

Reisen: Fliegen geht auch ohne Vorkasse

Sachverhalt

Pauschalreisende werden im Gegensatz zu Fluggästen nicht nur durch die Insolvenzabsicherung geschützt, sondern auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der bei Pauschalreisen die Höhe von An- und Restzahlungen beschränkt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Az.: X ZR 71/16) darf der Veranstalter eine Anzahlung von 20 Prozent und eine Restpreisfälligkeit von vier Wochen vor Reisebeginn vereinbaren. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf die Anzahlung höher als 20 Prozent sein, nämlich dann, wenn der Veranstalter höhere Vorleistungskosten nachweist.

Damit behandelt der BGH Pauschalreisende und Fluggäste ungleich. Wir fordern schon lange klare gesetzliche Grenzen für die von vielen Unternehmen gelebte Vorkasse-Praxis. Nach den Pleiten unter anderem von Air Berlin, Niki und Germania sind Verbraucher auf den Vorauszahlungen für ihre geplanten Flugreisen sitzengeblieben. Coronabedingt drohen in der Reise- und Flugbranche weitere Insolvenzen.

Unsere Forderung

Die Ungleichbehandlung von Pauschal- und Flugreisenden muss der Gesetzgeber aufheben.

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert eine gesetzlich verpflichtende Insolvenz-Versicherung analog zur Absicherung bei Pauschalreisen. Verbraucher dürfen nicht weiter die Leidtragenden von Insolvenzen der Fluggesellschaften sein.

Stand: 09.03.2023

Haustürgeschäfte: Verbot ohne vorherige Zustimmung und Verlängerung der Widerrufsfrist

Sachverhalt

Haustürgeschäfte, aber auch Kaffeefahrten enden häufig im Ärger. Das wissen die meisten Verbraucher nur allzu gut. Der Direktvertrieb via Haustürgeschäft hatte gerade in den letzten drei Jahren – in denen besonders viele Menschen pandemiebedingt im Homeoffice arbeiteten1 – Hochkonjunktur. Obwohl in einer vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) initiierten repräsentativen Umfrage 2 98 Prozent der Verbraucher diesen Vertriebsweg für ungeeignet hielten, werden Menschen immer wieder in ungewollte Verträge gedrängt. Und das im höchst privaten Bereich. Verbraucher fühlen sich unter Druck gesetzt und haben Angst vor betrügerischen Machenschaften. Überrumpelung und Belästigung an der Haustür führen oft zu Kostenfallen und erheblichen Schäden für Verbraucher.

Aktuelles Beispiel aus der Praxis im Herbst Winter 2022/2023: Vertrieb von Telefonie- und Glasfaserprodukten durch unseriöse Drückerkolonnen im Auftrag der Anbieter und Netzbetreiber. Viele Betroffene fühlen sich von dem Geschäftsgebaren und sogar von falschen Behauptungen überrumpelt und zur Unterschrift gedrängt. Zeit, um die Vertragsunterlagen zu prüfen, bekommen sie meist nicht. Später bereuen sie den schnellen Vertragsabschluss. Nicht selten stellt sich heraus, dass die Verträge teuer oder überdimensioniert sind, nicht den gewünschten Vorteil bieten oder der Wechselzeitpunkt nicht zu bereits vorhandenen Verträgen passt. 

In den letzten Jahren berichten vermehrt auch Stadtwerke in ganz Deutschland, dass (wieder) zunehmend Haustürwerber auf Kundenfang im Bereich Energieversorgung sind. Durch frei erfundene Geschichten bauen die Vermittler gezielt Druck auf. So behaupten diese etwa, ein komplettes Mietshaus würde auf einen neuen Anbieter umgestellt. Damit der Strom im eigenen Haushalt weiter fließe, müsste ein neuer Vertrag rasch unterschrieben werden. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen Senioren erhebliche Schäden durch angeblich wertvolle Bücher entstanden sind, die als Geldanlage verkauft wurden.

Verbraucher sind bei Haustürgeschäften nicht ausreichend geschützt. So ist das Klingeln an der Haustür grundsätzlich erlaubt und bedarf – anders als bei der Telefonwerbung – keiner vorherigen Einwilligung der Verbraucher.

Haustürgeschäfte sind im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht ausdrücklich erwähnt, anders als unerwünschte Werbung per Telefon oder E-Mail. Das unerwünschte Ansprechen an der Haustür zum Zwecke der Vertragsanbahnung fällt auch nicht unter die im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) definierten aggressiven geschäftlichen Handlungen. Aus unserer Sicht sind derartige Geschäfte aber gleichermaßen belästigend für Verbraucher – wenn nicht sogar noch belästigender, weil teils noch intensiver in die Privatsphäre eingedrungen wird. Sie setzen Verbraucher unnötig unter Druck und müssen deshalb genauso verboten sein.

Auch die 14-tägige Widerrufsfrist ist zu kurz. Da bei Haustürgeschäften häufig Dienstleistungen verkauft werden, beginnt die Widerrufsfrist häufig bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Erfahrungen der Verbraucher zeigen, dass die Frist immer wieder zu schnell verstreicht und gerade unseriöse Vertriebsstrukturen davon profitieren. Bei unbestellten Dienstleistungen wie Schädlingsbekämpfung oder Steinreinigung erlischt das Widerrufsrecht – bei korrekter Belehrung – sogar direkt nach Erbringung der Dienstleistung. 

Im Jahr 2021 wurden bereits erste, wichtige Gesetzesänderungen beschlossen, die am 28.05.2022 in Kraft getreten sind und vor allem den Schutz auf Kaffeefahrten deutlich verbessern sollen. Auch dürfen Anbieter bei unerbetenen Haustürbesuchen seither ab einer Bagatellgrenze von 50 Euro keine sofortige Bezahlung mehr verlangen. Damit sollen Überrumpelte davor geschützt werden, dass sie den häufig bar bezahlten hohen Beträgen windiger Geschäftemacher an der Haustür vergeblich hinterherlaufen müssen, wenn sie von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen oder auch Strafanzeige wegen unlauterer Geschäfte erstatten wollen. Aus unserer Sicht stellt diese Änderung keine echte Verbesserung für Verbraucher dar. 

Im Bereich der Haustürgeschäfte kann das nur ein Anfang sein, dem weitere Schritte des Gesetzgebers folgen müssen.

Unsere Forderungen

Ohne vorherige Zustimmung des Verbrauchers müssen Hausbesuche zu Werbezwecken generell verboten sein. Dies ließe sich durch eine einfache gesetzgeberische Maßnahme – die Einführung eines Einwilligungsvorbehalts – erreichen.

Die Widerrufsfrist bei Haustürgeschäften muss von jetzt 14 auf 30 Tage verlängert werden. Die Möglichkeit einer Verlängerung der Widerrufsfrist sieht die EU-Modernisierungsrichtlinie (RL EU 2019/2161 zur Änderung der RL 2005/29/EG) ausdrücklich vor, so dass der deutsche Gesetzgeber hiervon auch Gebrauch machen sollte.

Weiterhin fordert die Verbraucherzentrale Hessen kein Erlöschen des Widerrufsrechts nach erbrachter Dienstleistung (oberhalb Bagatellgrenze 50 Euro).


https://www.hna.de/kassel/keine-handhabe-gegen-haustuergeschaefte-90188770.html

https://www.vzbv.de/sites/default/files/2021-10/20-11-09_chartbericht_kostenfallen_haustuergeschaefte.pdf

 

Wirksamer Schutz vor Kostenfallen: Allgemeine Bestätigungslösung einführen, Kündigung erleichtern

Sachverhalt

Verbraucher:innen sind in ihrem Alltag mit vielfältigen Kostenfallen konfrontiert. Nach wie vor stellen unerwünschte Werbeanrufe für viele Menschen ein tägliches Ärgernis dar. Bei der Bundesnetzagentur beschweren sich jedes Jahr Zehntausende. Fast 65.000 Beschwerden gingen 2022 bei der Behörde ein, die über eine Million Euro an Bußgeldern verhängt hat. 2021 waren es sogar 79.702 Beschwerden. Wird nach einem vermeintlich unverbindlichen Werbeanruf plötzlich eine Vertragsbestätigung nebst Rechnung oder gar Inkassoforderung verschickt, ist es für Verbraucher:innen schwer, aus solchen (angeblichen) Verträgen wieder heraus zukommen. 

Nur, wenn der Vertragsschluss nach dem Telefonat schriftlich oder in Textform bestätigt wird, muss auch bezahlt werden. Auch, wenn es erfreulich ist, dass Verträge mittlerweile in einigen Bereichen nicht mehr einfach am Telefon abgeschlossen werden können, gelten diese Regelungen für viele Branchen weiterhin nicht. Verträge über Finanzprodukte oder Versicherungen, Zeitungsabos oder Nahrungsergänzungsmittel können am Telefon noch immer wirksam mündlich abgeschlossen werden. Verbrauchern bleibt in diesen Fällen nur das Widerrufsrecht. Es ist also nicht verwunderlich, dass Unternehmen weiterhin zum Hörer greifen.
 

Unsere Forderungen

Wir fordern nach wie vor eine allgemeine Bestätigungslösung für alle telefonischen Verträge und keine wie auch immer ausgestaltete sektorale Lösung [Ausnahmen gelten bislang nur für Telekommunikations-, Energielieferungs- (Strom, Gas) und Gewinnspielverträge]. Nur, wenn der Vertragsschluss nach dem Telefonat schriftlich oder in Textform bestätigt wird, kann er auch Wirksamkeit entfalten.  

Eine Frau steht vor einem geöffneten Paket mit Produkten und verweigert die Sendung

Vorsicht bei untergeschobenen Verträgen von Pflegehilfsmittelboxen

Verbraucher:innen berichten, dass ihnen telefonisch Verträge für sogenannte kostenlose Pflegehilfsmittelboxen angeboten wurden. Die Kosten übernimmt die Pflegekasse aber nur, wenn sie einen anerkannten Pflegegrad haben. Lehnt die Pflegekasse ab, können Verbraucher:innen auf den Kosten sitzenbleiben.
Eine Frau blickt auf eine digitale Anzeige.

Ihre Daten bei Facebook und Instagram für KI: So widersprechen Sie

Meta hatte kürzlich angekündigt, "KI bei Meta" zu entwickeln. Als Trainingsmaterial für diese KI-Tools sollen auch Nutzerinhalte dienen, also das, was Sie auf den Plattformen posten. Möchten Sie das nicht, können Sie widersprechen. Die Verbraucherzentrale NRW hat Meta deshalb abgemahnt.
Jemand erklärt etwas, im Hintergrund schemenhaft sitzendes Publikum

Klage gegen Stromio: Das sind Ihre Vorteile

Lesen sie hier, welche Vorteile es haben kann, wenn Sie sich unserer Musterfeststellungsklage gegen die Stromio GmbH anschließen.