Einschlafhilfen mit dem Wirkstoff Melatonin in Form von fruchtig schmeckenden Gummibonbons sind verlockend und riskant zugleich: Sie können leicht in Kinderhände geraten. Zudem ist der Verkauf als Nahrungsergänzungsmittel bei einer Tagesdosis von mehr als 0,5 Milligramm Melatonin rechtlich umstritten.
Das ärgert uns
Dass die „Einschlafhilfe Wick ZzzQuil Gute Nacht" mit Melatonin (1 Milligramm pro Stück) in Form von Gummibonbons angeboten wird, ist Frau M. aus Frankfurt ein Dorn im Auge. Denn ihr kleiner Sohn könnte sie zufällig am Nachttisch entdecken und hätte schnell eine Handvoll davon verputzt. Außerdem findet sie bedenklich, dass sogenannte Einschlafhilfen mit Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel (Lebensmittel) statt als Arzneimittel angeboten werden. Wir können Frau M. in beiden Punkten nur zustimmen.
Auf der Internetseite des Anbieters zzzquil.de erwecken die Formulierungen „Anwendung“ und „Einnahme“ statt „Verzehr“ ebenso wie die Erwähnung von Warnhinweisen dagegen den Eindruck eines Arzneimittels: „Obwohl Melatonin ein Hormon ist, das physiologisch in unserem Körper vorhanden und am Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt ist, können besonders bei empfindlichen Personen, bei einer falschen Anwendung oder bei Überdosierung unerwünschte Wirkungen hervorgerufen werden. Gelegentlich treten auf Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit“, so der Anbieter.
Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das als Arzneimittel verschreibungspflichtig ist. Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten sind möglich.
Ob Melatonin in einer Dosierung von 0,5 bis 1 Milligramm pro Portion als Zutat in Nahrungsergänzungsmitteln – also Lebensmitteln – verwendet werden darf, ist daher seit vielen Jahren juristisch umstritten. Wissenschaftliche Studien sehen bereits ab 0,5 Milligramm Melatonin eine pharmakologische Wirkung – und die ist ein Merkmal von Arzneimitteln. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind seit langem der Auffassung, dass Präparate mit einer Tagesdosis von mehr als 0,5 Milligramm Melatonin zulassungspflichtige Arzneimittel sind.
Das ist geregelt
Ob ein Produkt als Lebensmittel oder als Arzneimittel einzustufen ist, entscheiden jedoch nicht die Bundesbehörden, sondern die jeweiligen Behörden des Bundeslandes, in dem der Anbieter seinen Sitz hat. Eine Prüfung von Nahrungsergänzungsmitteln durch die Landesbehörden vor dem ersten Verkauf ist aber nicht vorgesehen.
Diese Regelungslücken nutzen die Anbieter aus, ebenso wie die Zulassung von zwei gesundheitsbezogenen Aussagen für Melatonin in Lebensmitteln nach der Health-Claims-Verordnung: Für Lebensmittel mit mindestens einem Milligramm Melatonin pro Portion dürfen Anbieter werben mit „Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen“ und „Melatonin trägt zur Linderung der subjektiven Jetlag-Empfindung bei“.
Das rät die Verbraucherzentrale
Ob Lebens- oder Arzneimittel – melatoninhaltige "Einschlafhilfen“ sollten generell nicht in Form von Bonbons verkauft werden. Sie könnten insbesondere von Kindern leicht mit herkömmlichen Süßigkeiten verwechselt und in größeren Mengen verzehrt werden. Von vergleichbaren Produkten anderer Anbieter raten wir daher ebenfalls ab.
Erwachsenen empfehlen wir, die Ursachen für Einschlafstörungen abzuklären und – wenn möglich – zu beheben. Vor der Verwendung eines Melatonin-Produkts sollte generell ärztlicher Rat eingeholt werden.