- In einem Marktcheck untersuchte die Verbraucherzentrale Hessen bei 23 Verpackungen mit ganzen und geschroteten Leinsamen, wie gut sichtbar der Warnhinweis bei erhöhtem Blausäuregehalt ist.
- Die Ergebnisse zeigen: Bei elf von 23 Produkten ist der Warnhinweis aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen leicht zu übersehen.
- Bei drei Produkten erwecken Abbildungen von rohen Speisen wie Müsli oder Joghurt mit frischem Obst und Leinsamen auf der Verpackung den Eindruck, die Leinsamen seien für den Rohverzehr geeignet.
- Die Verbraucherzentrale Hessen fordert, den vorgeschriebenen Warnhinweis bei Leinsamen konsequent an einer gut sichtbaren Stelle im Hauptsichtfeld der Verpackung kontrastreich, unverdeckt und gut lesbar abzubilden und passende Abbildungen zu verwenden.
Deshalb müssen Leinsamen einen Warnhinweis tragen
Leinsamen liefern wichtige Nährstoffe, wie Omega-3-Fettsäuren und Magnesium. Sie sind außerdem eine gute Ballaststoffquelle und damit günstig für unsere Darmtätigkeit. In den kleinen Körnern stecken jedoch auch Stoffe, aus denen nach dem Verzehr giftige Blausäure entstehen kann. Zu viel Blausäure kann zu Kopfschmerzen, Atemnot oder Schwindel führen, in schweren Fällen sogar zu Koma oder Tod.
Um den Blausäuregehalt in Leinsamen zu begrenzen, schreibt eine EU-Verordnung seit Januar 2023 einen Höchstgehalt von 150 mg Blausäure pro Kilogramm Leinsamen vor, die für Endverbraucher:innen angeboten werden. Wird dieser Wert überschritten, müssen Hersteller einen Warnhinweis im Hauptsichtfeld verpackter Leinsamen anbringen: „Nur zum Kochen und Backen verwenden. Nicht roh verzehren!“. Bei Abbildung des Warnhinweises darf Leinsamen einen höheren Blausäuregehalt aufweisen, maximal 250 mg Blausäure pro Kilogramm Leinsamen. Der Grund: Blausäure verflüchtigt sich bei über 25 Grad. Erhitzte Leinsamen können daher bedenkenlos verzehrt werden. Da Leinsamen aber auch hohe Mengen des Schwermetalls Cadmium enthalten können, empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), am Tag maximal 20 g Leinsamen zu verzehren.
Verbraucherbeschwerde macht auf schlecht sichtbaren Warnhinweis aufmerksam
Eine Verbraucherbeschwerde auf dem Portal lebensmittelklarheit.de der Verbraucherzentralen hat gezeigt, dass der Warnhinweis nicht immer gut sicht- und lesbar auf der Verpackung steht. Sind auf der Verpackung zusätzlich Müslischalen mit frischem Obst und Leinsamen abgebildet, kann das den Eindruck erwecken, das Produkt sei auch für den Rohverzehr geeignet. Informationen über Lebensmittel dürfen aber nicht täuschen, zum Beispiel über die Eigenschaften des Lebensmittels. Das ist ein wichtiger Grundsatz der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Verpflichtende Angaben müssen an einer gut sichtbaren Stelle deutlich wahrnehmbar, gut lesbar und unverdeckt abgebildet werden.
Mit ihrem Marktcheck wollte die Verbraucherzentrale Hessen stichprobenartig ermitteln, ob die Hersteller ihrer Verpflichtung nachkommen und den Warnhinweis auf Verpackungen mit ganzen oder geschroteten Leinsamen im Lebensmitteleinzelhandel im Hauptsichtfeld (Frontetikett), unverdeckt, kontrastreich und gut lesbar abbilden.
Dazu wurden im Juli 2024 insgesamt 14 Einzelhandelsgeschäfte in Hessen aufgesucht und 23 Verpackungen ganzer und geschroteter Leinsamen erfasst, die einen Warnhinweis trugen.
Bei nahezu der Hälfte der Produkte gibt es Optimierungspotenzial
Die Ergebnisse zeigen: Bei elf der 23 gecheckten Produkte ist der Warnhinweis aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen nur schwer erkennbar. Drei dieser Verpackungen tragen außerdem die Abbildung eines Jogurts oder Müslis mit frischem Obst und Leinsamen, was zusätzlich den Eindruck erwecken kann, die Leinsamen wären für den Rohverzehr geeignet.
Bei sieben der elf Produkte ist der Warnhinweis nach Ansicht der Verbraucherzentrale Hessen ungünstig am äußeren Rand des Hauptsichtfeldes in kleiner Schrift platziert. Bei einem davon befindet sich der Schriftzug eher am Boden der Verpackung und kaum noch im Hauptsichtfeld. Vier der elf Produkte bilden hinter dem Schriftzug unruhige Hintergrundgrafiken ab, was die Sicht- und Lesbarkeit der Warnhinweise ebenfalls beeinträchtigt.
Bei sechs der elf Verpackungen ist der Warnhinweis nur hochkant abgedruckt. Zwei davon tragen den Schriftzug in kleiner Schrift am äußersten seitlichen Rand des Hauptsichtfeldes. So fällt der Warnhinweis nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Hessen kaum auf und kann seinen wichtigen Zweck der Warnung schwer erfüllen. Auf den Rückseiten dieser beiden Verpackungen findet sich jeweils folgender Hinweis: „Leinsamen enthalten Substanzen, die beim Zerkleinern Blausäure freisetzen. Bei Verzehr von geschroteten Leinsamen kann Blausäure vom Körper aufgenommen werden. Mit viel Flüssigkeit einnehmen.“ Was Verbraucher:innen mit diesem Hinweis anfangen sollen, bleibt unklar. Besser wäre stattdessen, eine sichere maximale Verzehrmenge anzugeben oder zu erklären, dass sich Blausäure bei höheren Temperaturen verflüchtigt und Leinsamen daher vor dem Verzehr erhitzt werden sollen.
Die übrigen zwölf der 23 Produkte weisen im Vergleich einen gut erkennbaren Warnhinweis im Hauptsichtfeld der Verpackung auf. Auf keinem dieser Produkte werden rohe Speisen abgebildet. Eine der Verpackungen zeigt zwar eine Schale mit Grießbrei und frischem Obst, die mit Leinsamen bestreut ist. Der Hersteller erklärt jedoch direkt neben der Abbildung: „Perfekt für Gebäcke oder geröstet als Topping auf Müslis und Desserts“, sodass klar wird, dass die Leinsamen nicht roh, sondern erhitzt verwendet werden sollen.
Die zwölf Verpackungen tragen einen kontrastreichen, waagerechten Schriftzug im Hauptsichtfeld, dessen Lesbarkeit nicht durch Hintergrundgrafiken eingeschränkt wird. Lediglich die Schriftgröße ist bei elf der zwölf Verpackungen sehr klein. Für eine bessere Lesbarkeit wäre eine größere Schrift wünschenswert. Ein Hersteller bildet den Warnhinweis jedoch in großer farbiger Schrift gut lesbar im Hauptsichtfeld der Verpackung ab. Ein weiterer Hersteller hebt sich im Vergleich ebenfalls positiv ab. Er bildet nicht nur den Warnhinweis gut sichtbar im Hauptsichtfeld ab, sondern informiert zusätzlich über Blausäure in Leinsamen und darüber, dass Erhitzen den Blausäuregehalt reduziert.
Fazit: Luft nach oben
Bei zwölf von 23 getesteten Produkten ist der Warnhinweis bereits zufriedenstellend abgebildet. Bei elf der Produkte ist er aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen nur eingeschränkt sichtbar oder leicht zu übersehen. Leinsamen sind eine beliebte Zutat für rohe Speisen wie Müslis. Es muss daher klar ersichtlich sein, ob das Produkt für den Rohverzehr geeignet ist oder aufgrund des erhöhten Blausäuregehalts nur erhitzt verzehrt werden sollte. Ist Letzteres der Fall, sollte das durch einen prominent platzierten, unverdeckten und gut lesbaren Warnhinweis eindeutig erkennbar sein, um Verbraucher:innen über die sichere Verwendung des Lebensmittels zu informieren. Gleichzeitig sollten die Hersteller auf die Abbildung roher Speisen mit Leinsamen verzichten.
Diese Information ist im Rahmen eines vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Ernährungsprojekts entstanden.