Hier finden Sie unsere Positionen und Forderungen zur Verbraucherbildung
- Stellungnahme der Verbraucherzentrale Hessen zum dreizehnten Gesetz zur Änderung des Hessischen Schulgesetzes (August 2022)
(Landtag Drucks. 20/8760)
Vorbemerkung
Kinder und Jugendliche werden insbesondere in der Digitalen Welt vermehrt von Unternehmen durch personalisierte Werbung und Angebote oder lnfluencerMarketing als eigenständige Konsumenten angesprochen. Einflüsse von Werbung betreffen nicht nur Konsumentscheidungen von Kindern und Jugendlichen, sondern berühren auch Fragen der Ernährung, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Medienkompetenz sowie der finanzielle und rechtlichen Bildung und betreffen somit das Feld der Verbraucherbildung insgesamt.
Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen sind daher eine frühe Verbraucherbildung in Schulen sowie ein generelles Werbeverbot im Unterricht unverzichtbar.
Grundsätzliche Bewertung
Als außerschulische Institution, die sich unabhängig für die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern einsetzt, begrüßt die Verbraucherzentrale Hessen grundsätzlich die Integration des Verbraucherschutzes als fachübergreifendes Querschnittsthema in das hessische Schulgesetz.
Für die wirksame und systematische Umsetzung der Verbraucherbildung an Schulen sollten nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Hessen die Themen der Verbraucherbildung auch in die Lehrpläne integriert werden sowie in das Hessische Lehrkräftefortbildungsgesetz (HLbG §1 Abs. 3) aufgenommen werden und Einzug in die Ausbildungsphase von Lehrkräften erhalten. Für die konkrete Umsetzung in Lehrplänen und der Ausbildung von lehrenden bedarf es eines Rahmenkonzeptes, welches die Themen- und Kompetenzbereiche der Verbraucherbildung definiert. Das Land Hessen sollte sich hier an der „Richtlinie Verbraucherbildung", welche die Landesregierung in Rheinland-Pfalz 2010 vorgelegt hat, sowie dem Beschluss der Kultusministerkonferenz 2013 orientieren.
Die Notwendigkeit der Fortbildung und Sensibilisierung von Lehrkräften für die Themen der Verbraucherbildung steht dabei auch vor dem Hintergrund einer vermehrten Einflussnahme von Unternehmen auf den Unterricht selbst. Insbesondere im Zuge der Pandemie hat die Zahl an kostenfreien Unterrichtsmaterialien, digitalen Lernoberflächen, Know How für Lehrkräfte sowie technische Ausstattung zugenommen. Dies birgt die Gefahr von ungewünschten Werbeeinflüssen im Unterricht, die dem Beutelsbacher Konsens entgegenlaufen.
Institutionen des Verbraucherschutzes sollten als unabhängige außerschulische Institution im Sinne der Öffnung von Schule (§16) und zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages (§2 Abs. 8 und 9) als Kooperationspartner benannt werden.
Anmerkungen zu ausgewählten Aspekten
Verwendung des Begriffs der „Verbraucherbildung" (§6 Abs. 4 Satz 2)
Ziel der Verbraucherbildung und insbesondere die schulische Verbraucherbildung ist die Befähigung zum verantwortungsbewussten Konsumverhalten und der selbstbestimmten Teilhabe am Marktgeschehen (KMK 2013). In diesem Sinne hat Verbraucherbildung den Zweck Handlungs- und Entscheidungskompetenzen zu fördern, für Problemstellungen im Verbraucheralltag zu sensibilisieren und Problemlösekompetenzen sowie Wissen über verbraucherrelevante Themen zu vermitteln. Themen der Verbraucherbildung sind unter anderem Ernährung, Gesundheit, Finanzen und Verträge, Verbraucherrechte, Medien und Datenschutz sowie Nachhaltigkeit.
Damit ist Verbraucherbildung Teil des Verbraucherschutzes, und der Begriff „Verbraucherbildung" hebt die Bildungsaufgabe hervor. Zudem bietet die Verbraucherbildung Anknüpfungspunkte für weitere besonders Bildungs- und Erziehungsaufgaben gemäß §6 Abs. 4 und ist für einen fachübergreifenden Ansatz geeignet.
Ergänzender Paragraf zur „Verbraucherbildung als Querschnittsaufgabe"
Die Verbraucherzentrale Hessen spricht sich in diesem Zusammenhang und aufgrund des Charakters der Verbraucherbildung als Querschnittsthema für eine Konkretisierung des Bildungsziels in einem eigenen Paragrafen innerhalb des Zweiten Teils des Hessischen Schulgesetzes aus. Wir schlagen die folgende Formulierung vor:
§ 7a Verbraucherbildung als Querschnittsaufgabe
(1) Verbraucherbildung ist eine verbindliche Querschnittsaufgabe, die fachübergreifend in allen Schulformen umgesetzt wird. Verbraucherbildung dient der Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule gemäß § 2 Abs. 8 und 9.
(2) Die Einführung und Ausgestaltung der schulischen Verbraucherbildung wird durch das Kultusministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in einem Rahmenkonzept näher geregelt.
(3) Inhalte und Umsetzung werden in Lehrplänen nach§ 4 Abs. 6 näher bestimmt.Nennung der Institutionen des Verbraucherschutzes als außerschulische Institutionen (§16 Abs. 2)
Anbieterunabhängige und neutrale Institution des Verbraucherschutzes sind den Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern verpflichtet. Aus diesem Verständnis sowie den Themen der Verbraucherbildung heraus sind Einrichtungen des Verbraucherschutzes als außerschulische Institution besonders hervorzuheben. Aus Sicht der Verbraucherzentrale sollte sich dies in der Nennung der selbigen unter §16 Abs. 2 ausdrücken.
Ein generelles Werbeverbot an Schulen stärken (§ 3 Abs. 15)
Das hessische Schulgesetz bestimmt in § 3 Abs. 15 zwar ein grundsätzliches Verbot von Werbung in Schulen und hebt den Vorrang des Bildungs-.und Erziehungsauftrages vor einer (begrenzten) Werbewirkung hervor, doch lässt dies aus Sicht der Verbraucherzentrale zu viel Interpretationsspielraum. In der Einschätzung, ab wann eine Werbewirkung dem Bildungs- und Erziehungsauftrag überschattet und wie genau Werbung definiert ist, bleibt Lehrenden selbst überlassen.
Die Verbraucherzentrale Hessen spricht sich daher für ein generelles Verbot von Werbung und Drittanbieter-Logos an Schulen aus. Wirtschaftliche Interessen müssen im Unterricht wirksam unterbunden werden und Sponsoring darf nicht zum Ausgleich für Werbemaßnahem genutzt werden. Die Verbraucherzentrale begrüßt die Öffnung von Schule und die grundsätzliche Kooperation mit Wirtschaftsakteuren, doch muss sichergestellt sein, dass kommerzielle Interessen keinen Einzug in das Klassenzimmer erhalten.
Daher sprechen wir uns für eine Überarbeitung der Vorschriften zu „Werbung und Sponsoring in Schulen" aus.
- Für eine unabhängige Finanz- und Verbraucherbildung (Oktober 2024)
Kurzstellungnahme der Verbraucherzentrale Hessen e.V. zum Entwurf eines Gesetzes des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zur Stärkung der Finanzbildung – Änderung des Gesetzes über die Ausprägung einer 1-DM-Goldmünze und die Einrichtung der Stiftung „Geld und Währung“
I. Verbraucherschutz durch Finanz- und Verbraucherbildung
Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen Wissen und Weitsicht, um in einer komplexen, dynamischen Marktwirtschaft individuell passende Konsumentscheidungen treffen zu können.
Die Teilhabe am Marktgeschehen, die Fähigkeit zu bewussten Konsum- und Finanzentscheidungen sowie die Möglichkeit, geltende Verbraucherrechte auch wahrnehmen und durchsetzen zu können, ist fundamentaler Bestandteil des heutigen gesellschaftlichen Lebens. Zudem nehmen Menschen mit ihrem Konsumverhalten eine aktive Rolle im Marktgeschehen ein und können so Einfluss auf die Angebotsseite nehmen. Diese selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen, ist aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen eine zentrale Aufgabe von Finanz- und Verbraucherbildung. Verbraucherbildung dient der Prävention durch Förderung der individuellen Entscheidungs- und Urteilsfindung. Daher begreifen wir Finanz- und Verbraucherbildung als einen wesentlichen Bestandteil des Verbraucherschutzes neben Beratung, Rechtsdurchsetzung und Aufklärung.
II. Finanzbildungsstrategie unabhängig und im Sinne von Verbraucherinnen und Verbrauchern gestalten
Als zentraler Akteur der Verbraucherbildung in Deutschland unterstützen die Verbraucherzentralen schulische und außerschulische Verbraucherbildung – auch in Zusammenarbeit mit anderen (Bildungs-)Akteuren. Die Verbraucherzentrale Hessen steht für eine Finanz- und Verbraucherbildung, die frei von ökonomischen Interessen ist und in der die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern – und nicht die Interessen des Marktes – im Vordergrund stehen.
Dem steht die im Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzbildung formulierte Zielsetzung „eine[r] höhere[n] Bereitschaft und Fähigkeit zur Partizipation am Kapitalmarkt“ aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen entgegen. Finanzbildung darf nicht allein dem Zwecke einer Förderung von Kapitalanlagen oder gesamtwirtschaftlichem Wachstum folgen, sondern muss die individuelle und selbstbestimmte Teilhabe ermöglichen.
Eine Beteiligung am Kapitalmarkt ist eine individuelle Entscheidung, der durch Finanzbildung nicht vorgegriffen werden darf, sondern die sie lediglich ermöglichen kann. Wirtschaftliches Wachstum und eine möglicherweise höhere Beteiligung am Kapitalmarkt können demnach wünschenswerte Resultate, aber nicht festgelegte Zielsetzungen einer Finanzbildungsstrategie sein. Zudem begreifen wir Finanz- und Verbraucherbildung als wichtigen Baustein zur Schuldenprävention und Altersvorsorge. Dies sollte sich aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen im Verständnis von (Finanz-)Bildung widerspiegeln und als Zielsetzung formuliert werden.
III. Qualität sichern und etablierte Angebote fördern
Finanz- und Verbraucherbildung, mit dem Anspruch dem Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu folgen, muss qualitätsgesichert, werbefrei und unabhängig gestaltet werden. Dazu existieren bereits etablierte Instrumente wie beispielsweise der Materialkompass. Eine wissenschaftliche Begleitung von Maßnahmen der Qualitätssicherung unterstützen wir ausdrücklich.
Das bestehende, breit gefächerte und vielfältige Angebot von Finanzbildungsmaßnahmen durch Verbände und Organisationen des Verbraucherschutzes sollte aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen weiter gestärkt werden, anstatt neue Strukturen aufzubauen. Bundesprojekte wie beispielsweise „Die Verbraucherschulen“, die sich über Jahre hinweg etablieren konnten und in denen die Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren und Schulen bereits stattgefunden hat, können als Ausgangslage für die weitere Verzahnung mit Akteuren der Finanzbildung und insgesamt der (schulischen) Finanzbildung dienen. Parallel dazu neue Strukturen aufzubauen, ist aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen wenig zielführend.
IV. Zusammenfassung
Die Verbraucherzentrale Hessen begrüßt ausdrücklich, dass
- Verbraucherinnen und Verbraucher in ihrer finanziellen Kompetenz gestärkt werden sollen.
Die Verbraucherzentrale Hessen unterstützt die Forderungen des Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzbildung:
- Alternativen zum Ausbau der Stiftung „Geld und Währung“ prüfen
- Aufgaben und Strukturen der Verbraucherzentralen und des vzbv für finanzielle Bildung einzubinden und zu stärken sowie Doppelstrukturen zu vermeiden
- Finanzbildung an den Bedarfen der Menschen und nicht an Marktzielen auszurichten
- Die Verbraucherschutzperspektive bei der Umsetzung der Finanzbildungsstrategie strukturell einzubinden und Expertise aus dem Bildungsbereich einbinden
- Die Sicherstellung einer unabhängigen und auf Qualitätsstandards basierenden Finanzbildung
- Die Förderung und Fortführung etablierter und unabhängiger Angebote der Finanz- und Verbraucherbildung.