Anbieter sollen künftig erklären, wieviel Strom und Gas sie eingekauft haben (Auskunftspflicht über die Fristigkeit der eingekauften Strom- und Gasmengen)
Problem
Strom- und Gasanbieter in Deutschland haben sich kurzfristig aus dem Markt zurückgezogen, weil sie die nötigen Mengen an den Spotmärkten und Terminmärkten nicht zu wirtschaftlichen Preisen beschaffen konnten. In der Folge haben sie oft kurzfristig die Versorgung ihrer Kunden einseitig eingestellt. Verbraucherinnen und Verbraucher, die in die teure Grundversorgung zurückfallen, bezahlen dafür die Zeche.
Ursache scheinen Geschäftsmodelle zu sein, wonach sehr kurzfristige Einkäufe von Strom und Gas zu Belieferungszwecken, zum Beispiel über die Spotmärkte, zu günstigen Einkaufspreisen geführt hatten; zumindest zu günstigeren Einkaufspreisen als im Langfristeinkauf. Dieses System hat in der Vergangenheit gut getragen. Ausfluss dessen waren günstige Angebote auf dem Markt für Haushaltskunden, mit denen die Anbieter auch auf einschlägigen Vergleichsplattformen erfolgreich waren.
Wenn die Energiepreise jedoch kurzfristig deutlich steigen und größere Mengen im sogenannten „Day-Ahead-Handel“ für den Folgetag eingekauft werden müssen, verkehrt sich dies ins Gegenteil.
Die Kundinnen und Kunden wissen nicht, wie ihr Versorger im Blick auf die Fristigkeit aufgestellt ist und kennen somit auch nicht das Risiko von Preiserhöhungen sowie (im schlimmsten Fall) kurzfristigen Vertragskündigungen.
Lösung
Eine schnell umsetzbare und hochwirksame Regulierung, die Kundinnen und Kunden schützt. Die aber gleichzeitig schlank genug ist, um auf den Aufbau neuer staatlicher Strukturen zu verzichten, und die Anbieter nicht zwingt, Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren.
Die Bundesregierung hat sich zuletzt offen gezeigt, den Markt zu regulieren. Hessen unterbreitet dazu den ersten konkreten Vorschlag. Verbraucherschutzministerin Priska Hinz und die Verbraucherzentrale haben sich dazu zusammengetan. Hessen wird den Vorschlag bei der nächsten Verbraucherschutzministerkonferenz zur Diskussion und Abstimmung stellen.
Der hessische Vorschlag im Kern
Kundinnen und Kunden benötigen mehr Durchblick beim Abschluss von Strom- und Gasverträgen. Die erhöhte Transparenz auf dem Energiemarkt sollte sich auf die Fristigkeit der eingekauften oder durch Termingeschäfte abgesicherten Mengenpositionen beziehen. Die Anbieter sollen verpflichtet werden, ihre über eine längere Zeitachse gestreuten Lieferpositionen offenzulegen. Dies ist ein Indikator für Preisstabilität im Abgabepreis an Haushaltskunden – mithin ein Indiz für eine eingeschränkte Volatilität.
Dieser Indikator soll verpflichtend in das Informationsbündel der Vergleichsportale aufgenommen werden. Energielieferanten sollen gegenüber Haushaltskunden – analog ihrer Pflichtangaben zum Energiemix und zu den Preiskomponenten – ihre jeweilige Volatilitätsposition in der Zulieferposition offenlegen, die sie für ihre Energiezukaufpositionen zu einem festgelegten Stichtag anzeigen müssen.
Wie kann so etwas konkret aussehen?
Drei oder vier Zeitsegmente werden dargestellt (z.B. <30 Tage, <90 Tage, <360 Tage, > 360 Tage etc.) Gewichtungen werden in Prozentpunkten angegeben. So muss eine Darstellung „50:50:0:0“ als hochvolatil angesehen werden, eine Darstellung „0:20:30:50“ als ausgewogen (geringere Preis-Sensitivität). Die Kunden wissen mithin, wie hoch ihr Risiko ist.
Fehlentwicklungen werden schneller deutlich
Die Marktbeobachtung z.B. der Verbraucherzentralen kann so kurzfristig erkennen, wenn sich die Quoten verändern, weil Anbieter Energie, die sie ursprünglich für ihre Kunden gekauft haben, außerbörslich an „Over-the-counter“-Märkten weiterverkaufen.
Auch die Unternehmen haben Vorteile
Eine solche Angabe greift nicht wesentlich in die unternehmerische Freiheit oder in Geschäftsgeheimnisse (Einkaufsstrategie, Kostenposition) ein.
Es ist kein Aufbau von neuen staatlichen Strukturen nötig
Dieser Regulierungsansatz wäre ohne den Aufbau neuer staatlicher Strukturen möglich. Das nach § 41 c EnWG zu schaffende neutrale Vergleichsinstrument für Energiepreise und die bestehenden Vergleichsportale müssen die Fristigkeit bei ihrer Bewertung künftig einbeziehen. Der Bund muss zusätzlich eine mindestens stichprobenartige Kontrolle der angezeigten Gewichtungen sicherstellen.